Antikes Horsemanship

Von der Steppe in den Stall

Auf der Suche nach den Wurzeln der Pferdekommunikation und deren Vergleich zu unserer heutigen Pferdearbeit entstand eine interessante Recherche über die Zusammenhänge des modernen Horsemanship und den antiken Quellen.

Die Begeisterung und Bewunderung für die Pferde hat zu keiner Zeit mehr Menschen erreicht als in der heutigen Zeit. In unseren Seminaren werden viele Fragen zu diesem Thema gestellt, und da wir eine moderne Form aus dieser alten Zeit als unsere Kunst bezeichnen, sehen wir einen wichtigen Teil darin, den Dingen auf den Grund zu gehen, um sie aktuell und neu vermitteln zu können.

Ist diese Herangehensweise der gleichwertigen Partnerschaft mit dem Pferd aus unserer modernen Gesellschaft erwachsen? Oder gab es diese Einstellung und Methoden schon in früherer Zeit? Gibt es Hinweise auf Techniken oder Hilfsmittel?

Horsemanship

Horsemanship ist heute ein gefestigter Begriff in der Pferdewelt und steht für eine partnerschaftliche Kommunikation mit dem Pferd. Horsemanship steht auch für eine gebisslose Reitweise mit langem Zügel und das freie Folgen des Pferdes am Boden durch Bewegungsspiele, die aus dem Herdenverhalten der Pferde übernommen wurden. Ein weiteres Merkmal ist ein Stock als Kommunikationshilfe.

Zwei Richtungen des Zusammenseins

Ohne das Pferd wäre der Mensch in seiner Entwicklungsgeschwindigkeit in Kultur, Technik und Eroberung wohl nicht so schnell weiter gekommen. Das Pferd gab den Menschen eine einzigartige Mobilität und ein starkes Selbstbewusstsein. Das Reiten und das Benutzen von Waffen, wie zum Beispiel des Bogens, eröffneten diesen Völkern eine starke militärische Macht und dadurch auch eine gesellschaftlich hohe Position in der Geschichte.

Bei dieser Betrachtungsweise müssen wir unseren heutigen Blickwinkel verlassen und uns auf neue Sichtweisen einlassen.

Das Klima, die spirituelle Einstellung zur Natur und die sozialen Strukturen waren in vielen Bereichen anders als in unserer heutige Welt. Der Gegensatz eines nomadischen oder bäuerlichen Lebens im Rhythmus der Tiere und den Jahreszeiten zu einer Stadtkultur ist gross, und beide Lebensweisen haben einen entsprechenden Einfluss auf Mensch und Pferd.

Schnell wird ein romantisches Bild einer historischen Zeit gemalt. Sicherlich waren aber in dieser Welt nicht alle Menschen, die in einer reiternomadischen Kultur oder in einem städtischen Reiteradel lebten auch automatisch Pferdeflüsterer, doch geben uns einige Informationen aus der Geschichte Hinweise auf vorhandene Verbindungen oder ähnliche Verhaltensweisen des Pferdes, wie sie durch heutige Horsemanship-Prinzipien erreicht werden können.

Xenophon

Dein Pferd sei zuverlässiger Freund, nicht Sklave.- Xenophon 430v. Chr

Eine der wichtigsten Quellen zur Pferdeausbildung der Antike sind die Schriften von Xenophon (430 v. Chr.). Er war ein antiker griechischer Politiker, Feldherr und Schriftsteller. Seine Schriften über die Pferdeausbildung sind bis heute eine wichtige Grundlage und Orientierung in der Reitkunst.  Xenophon wurde durch die Reitweise der Perser zu tiefst beeindruckt und inspiriert.

In seinen Schriften fordert er dazu auf, dass der Reiter das Pferd als Partner sehen und es so auch behandeln sollte. Das Pferd musste viel Vertrauen zum Menschen haben, da man sich im Krieg und in Notsituationen vollständig drauf verlassen musste.

In seinen Schriften lehnt Xenophon jede Gewalt im Umgang mit Pferden ab. Er betont, dass man die Bedürfnisse des Pferdes und die individuelle Behandlung in den Vordergrund des Trainings stellen sollte. Belohnung waren für ihn eine wichtige Ausbildungshilfe. Einer seiner aussagekräftigsten Grundsätze ist sicherlich:

Dein Pferd sei zuverlässiger Freund, nicht Sklave.

Dieser Grundsatz von Xenophon spiegelt eine grosse Lebenserfahrung und tiefe Pferdekenntnis wieder. Sein Auftrag war die Ausbildung von Reiter und Pferden für den Ausnahmezustand eines Kampfes, und wir können vermuten, dass er seine Philosophie wohl auch den zukünftigen Reitern vermittelt hatte, und sie eine fortgeschrittene Lebenseinstellung im Umgang mit dem Pferd lehrte.

Er beschrieb den Einfluss der körperlichen und charakterlichen Ausbildung des Reiters auf das Pferd. Hier zeigt sich, das Xenophon nach einer ganzheitlichen Denkweise das Reiten vermittelt haben muss. Er betonte die Fähigkeit, sich selbst und seine Emotionen zu kennen und diese kontrollieren zu können, um im Kampf zu überleben.

Was Xenophon in der Begegnung mit den Persern sah, waren Reiter, die von klein auf mit Pferden aufgewachsen sind und dadurch eine Natürlichkeit und eine gute Balance entwickelten, so dass es für sie kein Problem war freihändig zu reiten.

Die Reitweise der Perser

In dem Buch „Persian Archery and Swordsmanship“ von Dr. M. Khorasani  können wir ebenso Hinweise zu der Reitweise der Perser aus dem 16 Jahrhundert. finden. Als Beispiel einen Auszug aus einem Bericht von Sir Jean Chardin, einem französischen Forschungsreisenden, der insbesondere den vorderen Orient bereiste und Reitübungen am Safaviden-Hof beschreibt:

… dass der Reiter einen guten Sitz, die Fähigkeit ohne Steigbügel zu galoppieren und das Pferd abrupt zum Stehen zu bringen benötigt, ohne dass er sich dabei viel bewegte.

Diese und weitere Reitübungen von beinahe artistischem Ausmaß waren Teil der Reiterkunst Persiens.

Chardin erklärt weiter:

Die Reiter sitzen so leicht auf dem Pferd und können das Pferd ohne Zügel angaloppieren.

Was die hier beschriebenen Aussagen verbindet, ist die Tatsache, dass Pferd und Reiter für den Kampf ausgebildet wurden und die Reitweise auf eine mehr oder weniger zügellose Technik und ein Verschmelzen von Reiter und Pferd durch einen unabhängigen Sitz ausgerichtet war.

Ebenso gab es wohl Wissen über das Nutzen der Dynamik der Pferdekraft in Verbindung mit den unterschiedlichen Waffen der jeweiligen Zeitepoche. Die Versammlung des Pferdes, ohne die eine gezieltes Reiten von Wendungen, Blockieren von Angriffen und Ausführen von Kontern nicht möglich ist, scheint wohl hier das normale tägliche Training für Reiter und Pferd zu sein.

Viele dieser Punkte sind heute noch, wenn auch ohne militärische Anwendung, erstrebenswerte Ziele in der Reitkunst. Das leichte Reiten, ein gutes Teamwork und ein Verlasspferd ist es, was wir uns alle wünschen.

„Equites infrenati“

In „Die Reiter Roms“, einem einzigartigen Werk von Marcus Junkelmann, bekommen wir Informationen über die Entwicklung der Römischen Kavallerie. Hier erfahren wir von einem Nomadenstamm aus Nordafrika. Dieses Reitervolk siedelte in der Region des heutigen Algeriens und wurde von den Römern die Numider genannt.

Die Numider waren typisch für die Reiterei des Altertums. Durch ihre Geschwindigkeit als Reitergruppe konnten sie schnelle Angriffe reiten, und beeindruckenderweise führten sie diese ohne Sattel und Zaumzeug aus. Wegen dieser Art zu Reiten nannten die Römer die Numider auch “Equites infrenati“, was soviel bedeutet wie “Pferde, die nie einen Zaum brauchen“.

Aus antiken Quellen geht hervor:

Der römische Gelehrte Claudius Aelianus beschreibt die Pferde „außergewöhnlich schnell und kräftig und obendrein folgsam, so dass die Numider sie ohne Trense oder Zügel geritten haben und sie einfach mit einem Stöckchen gelenkt werden konnten“.

Dieses antike Horsemanship kann man noch heute als Darstellung auf der Traiansäule in Rom sehen (107.-117 n. Chr.). Auf dieser Darstellung erkennt man sehr gut, dass die Numidischen Reiter ohne Sattel und Zaumzeug im Kampf reiten, und ihre Pferde nur mit der Hilfe eines Strickes, der um den Hals des Pferdes liegt, lenken.

Natürliche Verbundenheit

Es muss eine starke Verbindung zwischen den numidischen Reitern und ihren Pferden gegeben haben, um mit einem Halsring in einen Kampf zu reiten. Hier wird eine Einheit von Reiter und Pferd dargestellt, die viele nicht für möglich halten.

Hier können wir klare Horsemanship-Methoden in der Antike erkennen. Das Lenken des Pferdes durch einen Halsring und auch der Stock als Kommunikationshilfe wird hier dargelegt.

Auch hören wir in den Texten, dass eine gute Balance immer wieder betont wird.

Der lange Zügel und ein ruhiger Oberkörper führen zu einem unabhängigen Sitz.

Bei all den Informationen, die wir hier über die Griechen, Perser und noch vielen andere Pferdevölker haben, dürfen wir nicht vergessen, dass diese Menschen mit ihren Pferden Tag für Tag zusammen lebten, und in eben diesem Zusammensein liegt einer der wichtigsten Unterschiede zu unserer heutigen Situation und gleichzeitig der Schlüssel, um diese Verbindung wieder zu erlangen.

(Dieser Artikel erschien zuerst in der PASSION, dem Schweizer Reitmagazin)

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